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Denkanstöße 29 - Was Projektteams von Extremseglern lernen können

Ich denke, Sie alle haben schon solche oder ähnliche Sprüche gehört: „Wir erwarten, dass unsere Leute 120 Prozent geben“, „Wir bauen das perfekte Produkt“, „Man schafft alles, wenn man sich nur genug anstrengt“, „Ich wäre schon längst fertig, wenn die anderen nicht so rumtrödeln würden“. Vielleicht haben Sie auch schon diese Botschaften absoluter Leistungsbereitschaft vom Stapel gelassen. So klingen entschlossene Macher, ideale Mitarbeiter und Siegertypen. Stimmt nicht! Ich werde Ihnen in dieser Kolumne erklären warum.

Es gibt, wie ich finde, viele Ähnlichkeiten zwischen Hochsee-Segeln und Projektarbeit: Es besteht die Gefahr abzusaufen. Der Projektverlauf ist wie das Wetter schwer vorhersagbar und oft stürmisch. Ab und zu gehen Leute von Bord oder über Bord. Es gibt viele Situationen, in denen es hektisch und stressig werden kann. Von dem ständigen Auf und Ab und Hin und Her kann einem schon mal übel werden. Manchmal findet man das Projekt einfach nur zum Ko....

Einer meiner Leser hat mir eine interessante Studie (Jenewein, Morhart, Sieben Manöver zum Teamerfolg, Harvard Business Manager Juli 2006) über eine Segelcrew geschickt. Das Team startete beim Americas Cup 2006 als Außenseiter und segelte die Konkurrenz in Grund und Boden. Diese Studie arbeitete einige Erfolgsfaktoren heraus, die auch für Projekt-Landratten interessante Anregungen liefern:

Hole Dir die besten Leute ins Team! Kleiner verschämter Zusatz: … die Du Dir leisten kannst. Der Faktor Geld spielt natürlich eine große Rolle, doch sollte man ihn auch nicht überschätzen. Geld lässt sich durch ein gutes Gespür für ungeschliffene Diamanten substituieren. Stichwort Nachwuchsförderung und Talentsuche. Wer sind nun die besten Leute? Es sind Menschen mit einer positiven Lebenseinstellung, die siegen und dabei Spaß haben wollen – und wenn sie verlieren, nicht gleich die Flinte ins Korn werfen.

Miesepetrige, verbissene Spaßbremsen, die zum Lachen in den Keller gehen, tun keinem Team gut. Natürlich hat jeder Mensch auch Phasen, in denen man ihn besser nicht auf die Menschheit loslässt. Das ist ok und das müssen Teams auch aushalten. Worauf es ankommt, ist die positive Grundhaltung gegenüber Teamkollegen und gemeinsam angepeilten Zielen.

Eine Mannschaft kann nur gewinnen, wenn jede Rolle mit der Person besetzt wird, die eine gewählte Strategie in der aktuellen Situation am besten umsetzt. Alte Titel und Verdienste dürfen keine Rolle spielen. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass jeder die Chance hat, sich im fairen Wettbewerb mit seinen Teamkollegen immer wieder aufs Neue für eine Rolle oder Aufgabe zu empfehlen. Dabei muss klar sein, nach welchen Spielregeln diese scheinbar paradoxe Koexistenz von Konkurrenz und Mannschaftsgeist abläuft.

Je klarer die Ziele, je verständlicher die Regeln und je transparenter die daraus resultierenden Entscheidungen sind, desto besser ist die Orientierung für das Verhalten aller Beteiligten. Das nennt man Projektkultur! Sie drückt aus, WIE zu handeln ist und WAS damit erreicht werden soll. Jetzt werden Sie vielleicht sagen: „Na ja, beim Segeln ist das doch viel einfacher als in hochkomplexen technischen Projekten“.

Üben wir uns an dieser Stelle ein wenig in Selbstkritik: Könnte es sein, dass das schöne Wort "Komplexität" nur eine faule Ausrede für die mangelnde Bereitschaft und Phantasie ist, die Dinge auf den Punkt zu bringen? Bemühen wir uns schlichtweg zu wenig, einfache Ziele und verständliche Regeln für komplexe Projekte zu entwickeln?

Das Thema Kultur wirft sein Licht wie ein Scheinwerfer auf den Begriff Vorbild. Die Kultur wird von allen getragen, in erster Linie von den Führungskräften. Sie sind die Galionsfiguren der Kultur und der damit verbundenen Regeln und Ziele. Das einzige, was dabei wirklich zählt, sind Taten. Wer nur große Sprüche klopft, ohne sie durch eigene Taten zu bestätigen, riskiert eine Meuterei oder "fällt" irgendwann zufällig über Bord. Je größer die Konsistenz zwischen Worten und Taten, desto glaubwürdiger die Führungskraft.

Das bedeutet nicht, dass der Kapitän die Arbeit der Matrosen macht, sondern dass sich sein Verhalten sichtbar an den Werten und Ansprüchen orientiert, die auch an die Mannschaft gestellt werden. Das heißt, wenn Not am Mann ist und es der Lösung eines akuten Problems dient, ist sich der Kapitän für nichts zu schade. Denn auf See überleben nicht diejenigen, die Schuldige für Fehler und Probleme suchen, sondern die, die diese Fehler und Probleme sehr schnell beheben und daraus lernen.

Die beste Gewähr für schnelle und wirksame Lösungen ist eine Top-Ausbildung der Mannschaft. Jeder sollte so gut auf seine Rolle vorbereitet sein, dass kein anderer den Job besser kann als dieser Spezialist. Auf das Projekt übertragen heißt das, dass jeder im Team die maximale Effektivität für sein Aufgabengebiet aktiv anstrebt und ständig daran arbeitet, seine Effizienz zu steigern. Die Qualifikation schließt ein, dass alle in der Lage sind, ihre eigene Bedeutung und die der anderen für den Erfolg zu verstehen. Die Teamleitung sorgt beispielsweise durch eine gezielte Weiterbildungsplanung dafür, dass diese Voraussetzungen erfüllbar werden.

Jeder Segeltörn und jedes Projekt ist gleichzeitig auch ein beinhartes Training-on-the-Job. Gerade kritische Situationen, Krisen und Konflikte bieten dem Team die Chance zu lernen. Das klappt nur dann gut, wenn die Mitglieder bereit sind, sich offen über Beobachtungen, Vermutungen, Wissen, Erfahrungen, Gefühle und Bedürfnisse auszutauschen. Geteiltes Wissen vervielfacht das Lösungspotential eines Teams, vor allem wenn sich unterschiedliche Typen mit unterschiedlichen Erfahrungshorizonten gefunden haben. Diversität als Lösungsmultiplikator. Der intensive persönliche Austausch fördert weitere Erfolgsfaktoren wie Vertrauen, Toleranz und Loyalität. Allerdings nur, wenn Offenheit mit Wertschätzung einher geht.

Offenheit ohne Wertschätzung ist der berühmte Elefant im Porzellanladen oder die Axt im Walde. Wertschätzung ohne Offenheit ist nicht mehr als scheinheilige Schmeichelei oder Harmoniesucht. Die Bereitschaft zu offenem und wertschätzendem Miteinander wiederum ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass jeder bereit ist, Verantwortung zu übernehmen - für sich, für das Team und für das gemeinsame Ziel. "Einer für alle und alle für einen" lautet das Motto der Mannschaft, die siegen will. Völlig gleichgültig, ob es sich um Musketiere, Seeleute oder Projektteams handelt. Ahoi!

Erfolgsfaktoren starker Teams

  • Holen Sie die besten Leute ins Team und sorgen Sie für die beste Ausbildung
  • Die aktuelle Leistungsfähigkeit ist wichtiger als alte Titel
  • Kombination von Kooperation und Wettbewerb
  • Transparenz und Klarheit bei Regeln, Entscheidungen und Verantwortung
  • Lösungsorientierung
  • Jeder ist Vorbild, vor allem die Führungskräfte. Taten zählen!
  • Vertrauen durch Wertschätzung und Offenheit
  • Wissen und Erfahrungen mit allen Beteiligten teilen
  • Diversität als Lösungsmultiplikator
  • Bereitschaft, für sich und das Team Verantwortung zu übernehmen

Ich freue mich auf Ihre Denkanstöße unter denkanstoss@microconsult.de.

Peter Siwon

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