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Denkanstöße 22 - Die Lösung des Profi-Dilemmas

Veränderungsprozesse fordern gerade von den Besten ihres Faches große Anstrengungen und Verständnis und Geduld von denen, die Veränderungen wollen. Was steckt dahinter? Wie kann es besser laufen?

Das Gehirn hat im Prinzip nichts gegen Lernen. Aber es verabschiedet sich ungern von bewährten und optimierten Denk- und Verhaltensmustern, in die es viel Zeit und Energie investiert hat. Je häufiger und erfolgreicher sie zum Einsatz kamen, desto stärker werden sie durch das Gehirn automatisiert und perfektioniert. Der Grad der Automatisierung steht in engem Zusammenhang mit einer gewissen Starrköpfigkeit.

Der Profi wiederum verfügt über viele Denkautomatismen – das macht gerade seine Meisterschaft aus. Er sagt mysteriöse Sätze wie:„Ich weiß einfach, dass es so geht, frag mich nicht warum!“. Hätte er diese Kolumne gelesen, würde er (un)wissend ergänzen: „Und wenn ich es Dir erklären würde, wäre es keine vollständige Erklärung, weil mein Verstand die vollständige Erklärung nicht kennen kann.“ Der größte Teil des Profiwissens ist nun mal dem Bewusstsein verborgen. Genau das macht Veränderungen so mühsam.

Wenn Sie Lust haben, können Sie sich das anhand des Armverschränk-Experiments selbst beweisen: Verschränken Sie die Arme. Dann verschränken Sie sie anders herum. Wie fühlt sich das an? Schreiben Sie sich bitte auf, wie Sie die Arme normalerweise verschränken, z.B. rechte Hand oben. Wenn Sie in dem folgenden Text die Klammer (Arme) finden, verschränken Sie immer sofort Ihre Arme in der für Sie UNgewohnten Weise. Beobachten Sie, wie leicht oder schwer es Ihnen fällt. Ok? Los geht’s.

Lassen Sie uns die gerade skizzierten Zusammenhänge und gemachten Beobachtungen auf den Veränderungsprozess in Projekten übertragen. Es gibt folgendes interessantes Phänomen, wenn wir die Leistungen von Profis und Anfängern vergleichen (Arme). Wenn wir einen Anfänger korrigieren, der sich noch unbeholfen einer neuen Aufgabe widmet, dann wird er sich in der Regel sofort verbessern.

Tun wir das Gleiche mit einem Profi, dann wird er sich, wenn auch auf hohem Niveau, zunächst einmal verschlechtern. Die Erklärung dafür ist, dass der Anfänger noch wenige automatisierte Denkmodelle im Kopf hat, die mit den Korrekturen in Konflikt geraten. Der Profi dagegen muss für eine Korrektur hocheffiziente automatisierte Abläufe durch langsames bewusstes Denken unterbrechen. Das bedeutet, dass das Timing schlechter wird. Es läuft nicht mehr so locker und rund im Projekt wie gewohnt. Zusätzlich entsteht eine Konkurrenzsituation zwischen den Ergebnissen des schnellen automatisierten Denkens und des etwas träge und umständlich arbeitenden bewussten Denkens (Arme). Das erschwert die Konzentration und erzeugt Entscheidungskonflikte. Kurz: Es nervt. Der Anfänger hat es leichter, weil er seine Energie vor allem ins DAZU-Lernen steckt, aber der Profi muss nicht nur lernen, sondern auch gleichzeitig Altbewährtes unterdrücken und nach und nach VER-lernen. Hinzu kommen emotionale Hürden, wie die Angst vor Rang- oder Gesichtsverlust, die auch nicht von Pappe sind.

Ich freue mich auf Ihre Denkanstöße unter denkanstoss@microconsult.de.

Peter Siwon

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