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Denkanstöße 16 - Die Zauberformel für Vorträge

Falls Sie schon alles wissen, aber sich gerne auf Ihre Schulter klopfen, dann sollten Sie unbedingt weiterlesen. Es tut gut, bestätigt zu werden. Falls Sie zu den Menschen gehören, die einfach nur neugierig sind, dann freue ich mich ganz besonders auf Sie und wünsche mir, dass ich Ihre Erwartungen erfüllen kann.

Da es sich hier um eine Kolumne handelt, die notgedrungen mit wenig Platz auskommen muss und ich bereits mit der Einleitung 641 Zeichen inklusive Leerzeichen verplempert habe, werde ich mich ab jetzt auf das Wesentliche beschränken. Deshalb spare ich mir die Hinweise auf rhetorische Kniffe, körpersprachliche Feinheiten und das technische Waffenarsenal der Präsentationstechnik.

Meine Zauberformel für einen erfolgreichen Vortrag lautet: Unterhalten Sie sich einfach und verständlich mit Ihrem Publikum über Geschichten, die es und Sie bewegen. Hätten Sie gedacht, dass es so einfach ist? Aber ganz einfach ist oft ganz besonders schwierig. Nehmen wir diese Zauberformel etwas genauer unter die Lupe.

Zunächst ist es wichtig, dass Sie mit dem Publikum reden und nicht zum Publikum. Machen Sie das Publikum zum Teil der Geschichte, die Sie erzählen. Sätze wie "Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in folgender Situation…." oder "Vielleicht geht es Ihnen wie mir…" genügen, um passive Lauscher in aktive Mitfühler zu verwandeln. Fragen wie "Haben Sie so etwas Ähnliches schon einmal erlebt?", "Was würden Sie sich wünschen?" oder "Was glauben Sie?" machen zurückhaltende Zuhörer zu Mitdenkern und extrovertierte zu Co-Referenten. Lassen Sie den Menschen nach solchen Aufforderungen auch Zeit zum Mitfühlen, Mitdenken und Mitmachen. Sie können getrost davon ausgehen, dass Sie ohnehin zu schnell von Aussage zu Aussage springen. Die größte Kunst wirkungsvoller Unterhaltung besteht darin, die Spannung der Sprachlosigkeit zu ertragen, die es Ihrem Zuhörer - oder sollte ich besser sagen: Ihrem Gesprächspartner? - erlaubt, Fantasie zu entfalten und Aha-Erlebnisse auszukosten. Wenn die Menschen Ihnen folgen können, nicken sie Ihnen ermunternd zu, äußern Zweifel, stellen Fragen oder liefern eigene Beiträge. Das macht Vorträge zur angeregten Unterhaltung. Wenn sie gedanklich hinterher hetzen müssen, flüchten sie sich in die Fantasie oder nicken gelangweilt oder erschöpft ein.

Neben den sprachlosen Lücken, die das Publikum mit eigenen Gedanken und Gefühlen füllen kann, trägt eine einfache und verständliche Sprache dazu bei, dass die Zuhörer mit Ihnen Schritt halten können. Ich wähle bewusst die Kombination der Eigenschaften einfach und verständlich, weil einfache Wortwahl nicht zwangsläufig zu verständlichen Sätzen führt. Einfach und verständlich, heißt aber nicht banal! Worte, Bilder und Analogien die Sie benutzen, um Neues oder Ungewohntes zu vermitteln, sollten Ihrem Publikum geläufig sein. Es geht darum, mit der Sprache Brücken zu bauen statt Gräben aufzureißen. Wenn Ihr Ziel ist, andere schlau zu machen anstatt nur selber schlau zu erscheinen, fahren Sie einfach besser. Verzichten Sie im Zweifelsfall immer auf Abkürzungen und Buzz Words, auch wenn sie noch so cool und angesagt sind.

An dieser Stelle ziehe ich nun leidenschaftlich in die Schlacht gegen sprachliche Verwirrung und präsentationstechnologischen Irrsinn, die wir täglich auf Kongressen, Messen und anderen Veranstaltungen erleben. Warum um alles in der Welt hält man deutsch gesprochene Vorträge mit englischer Projektion? Als Hauptargumente werden meist genannt: Die Übersetzung ist zu aufwändig oder man agiert schließlich als Global Player. Meine zugegebenermaßen etwas gehässigen Gegenargumente: Wer so viel Text auf seine Folien gequetscht hat, dass die Übersetzung zu aufwändig ist, hat den Sinn der Projektion nicht verstanden. Denn sie dient nicht dazu, den Zuhörer in einen Zuleser zu verwandeln, sondern sie ergänzen, verstärken und unterstützen das Gesagte durch visuelle Eindrücke. Zwingen Sie Ihr Publikum nie dazu, sich zwischen Hören und Sehen entscheiden zu müssen mit der Gefahr, dass ihnen beides vergeht. So gesehen sind fremdsprachliche Schlüsselwörter zum muttersprachlichen Vortrag ein erträglicher Kompromiss, wenn die sprachlichen Grenzen ohnehin bereits verwischt sind. Doch der lässt sich nicht schließen, wenn der Sprecher mangels Fachkenntnis oder aus Unsicherheit zum Ablesen gezwungen ist. Dabei entpuppt  sich die der Sprachwechsel zwischen Lesen und Reden häufig als tückischer Stolperstein. Das aber passt irgendwie nicht zum Nimbus des Global Players. 

Vergessen wir kurz die Worte, denn Bilder sagen ja mehr als 1000 Worte. Doch wenn sie aufwändig animiert aus vielen erscheinenden, heranfliegenden oder spiralförmig einschwebenden Details entstehen, verschlägt es dem zunächst erstaunten und dann verwirrten Betrachter die Sprache. Das Ganze wird dann noch mit einer avantgardistischen Geräuschkulisse hinterlegt und durch großzügige Anwendung der verfügbaren Form- und Farbpalette aufgepeppt. Gehirne, die mitdenken wollen, müssen nun erst einmal das Wesentliche aus dem sensorischen Chaos herausfiltern. In der Zeit, in der diese kleinen Actionwunderwerke geschaffen werden, hätte man sich auch eine Darstellung ausdenken können, die ohne autistische Begabung begreifbar ist.

Bevor ich mich nun weiter ereifere, komme ich zum letzten Teil meiner Zauberformel: die interessante, spannende oder unterhaltsame Geschichte. Selbstverständlich sind auch alle drei Eigenschaften kombinierbar. Die besten Geschichten schreibt das Leben, und am besten erzählen wir die eigenen Erlebnisse. Menschen sind sehr an Geschichten interessiert, weil sie damit ihren eigenen Erfahrungshorizont ohne persönliche Risiken erweitern können. Nicht von ungefähr sind Tratsch, Klatsch, Tragödien und Anekdoten so beliebt. Sie sind die beste Quelle für Informationen, weil sie Fakten und Emotionen miteinander verbinden. Tatsächlich gewinnen Fakten erst durch Emotionen ihre wahre Bedeutung. Welche Gefühle auch immer wirken, ob Begeisterung, Überzeugung, Euphorie, Furcht, Wut, Freude, Trauer - sie sind es erst, mit denen Fakten beeindrucken.

Mein wichtigster Tipp: Am Anfang einer erfolgreichen Präsentation steht der Wunsch des Redners, andere Menschen auch an den Gefühlen teilhaben zu lassen, die er beispielsweise mit einem Erlebnis, einem Team, einem Ziel oder einer Aufgabe verbindet. Der Rest ergibt sich aus dieser Motivation heraus (fast) von selbst. Sollte diese Voraussetzung fehlen, wird es schwer. Wenn Sie begeistern wollen, haben Sie nur die Wahl, ein Thema zu wählen, das Sie begeistert, oder herauszufinden, was Sie an einem Thema begeistert. Wie im Leben, so beim Vortrag.

Ich freue mich auf Ihre Denkanstöße unter denkanstoss@microconsult.de.

Peter Siwon

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