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Denkanstöße 2 - Artgerechte Haltung von Softwareentwicklern

Die Menschen fangen ja dank der Wunderwelt der Elektronik immer früher damit an, ihre Wirbelsäule zu verbiegen. Gameboy-Daddeln, SMS-Hacken und Internetsurfen sorgen bereits in früher Jugend für die richtige "Vorbeugung" im oberen Brust- und Halswirbelbereich. Aus einigen Menschen mit dieser leicht vorgebeugten Grundhaltung, die in Schule und Studium noch gefestigt wurde, wird irgendwann ein Softwareentwickler. Man könnte auf die Idee kommen, dass es sich bei dieser in vielen Jahren angeeigneten Körperhaltung tatsächlich um eine artgerechte Haltung von Softwareentwicklern handelt. Wenn uns unser Nervensystem nicht eines Besseren belehren würde.

Spätestens wenn die ersten Bandscheiben schmerzhaft auf Nerven drücken, dämmert es dem einen oder anderen, dass diese Haltung nicht naturgewollt ist. Ich selbst mutierte vor einigen Jahren zum Kriechtier, weil ich nicht mehr in der Lage war, meiner Wirbelsäule eine menschliche Haltung abzuringen, ohne das Gefühl zu haben, dass jemand genüsslich ein Messer in meinen Rücken bohrt. Ich kann mich nicht einmal damit herausreden, dass ich nicht wusste, was falsche Arbeitshaltung bewirken kann. Doch auch ich werde oft nur aus Schaden klug. Haben Sie sich beim Lesen dieser Zeilen nicht gerade etwas aufrechter hingesetzt? Ich traue mich fast, zu wetten.

Ich hoffe, Sie sind jetzt motiviert, mit mir über das Thema "Artgerechte Haltung von Softwareentwicklern" nachzudenken. Lassen Sie uns doch einmal den Blick durch das Büro schweifen. Weil uns der Schmerz im Rücken noch so gegenwärtig ist, fangen wir am besten bei den Stühlen an. Die meisten Benutzer von Bürostühlen haben sich offensichtlich noch keine großen Gedanken darüber gemacht, wozu sich die Konstrukteure all die Hebel und Stellschrauben ausgedacht haben. Mir scheint, die meisten Bürostühle werden genau so benutzt, wie sie zufällig angeliefert wurden. Das nächste, was uns auffällt, ist der demütig nach vorne gebeugte Hals des Stuhlbesetzers. Er richtet den Kopf auf den zu niedrig gestellten Bildschirm aus. Bei Desktops hätte man eine Chance, der Ergonomie entgegenzukommen. Bei Laptops ist dieser Haltungsschaden praktisch mit eingebaut.

Solange der Besitzer des Kopfes mit der Maus tätig ist, verharrt er in dieser Demutshaltung. Wenn die Hände allerdings suchend über den Tasten kreisen, wird daraus ein stupides, langsames Nicken. Da dem gemeinen Softwareentwickler das 10-Finger-Blind-Schreiben nicht geläufig ist, wandern die Augen auf diese Weise zwischen den Zeichen auf den Tasten und deren Abbild auf dem Bildschirm hin und her. Ein Übermensch, der bei solcher Arbeitsmotorik keine Probleme mit seinem Bewegungsapparat bekommt. Ich merke buchstäblich das Ziehen im Nacken, während ich diesen Text nickend eintippe.

Der ständige Wechsel zwischen dunkler Tastatur und hellem Bildschirm ermüdet zudem unser Nervensystem. Ein gutes Argument für höhere Abstraktionsebenen und grafische Programmierung, bei denen mehr die Maus als die Tastatur zum Einsatz kommt. Doch wer diesem Luxus frönen darf, sitzt nicht selten vor einem mickrigen Bildschirm. Die Software war schließlich teuer genug! Beim Scrollen und Zoomen verliert der Softwerker schließlich außer den Nerven auch gerne den Überblick. Das Programmieren erinnert so ein wenig an Endoskopie.

Womit wir bei den Augen sind, die bekanntlich optische Signale empfangen. Unsere Augen werden gnadenlos durch unglückliche Farbgestaltung oder falsch platzierte Lichtquellen mit unangenehmem Farbspektrum gequält. Da wird geblendet, gespiegelt, geflackert und Tageslicht mit kaltem Röhrenlicht gemischt.

Um den Teamgeist zu stärken, sitzen dann alle wie die Heringe in einem Großraumbüro. Beliebtes Argument für die Massenmitarbeiterhaltung: Wenn der Softwareentwickler brütet, ist er immer dankbar für die Inspirationen, die die Telefonate und Diskussionen der Kollegen hergeben. Glauben Sie das? Ich spare es mir aus Platzgründen, über Architekten von Bürotürmen herzuziehen, die lieber beim Menschen als beim künstlerischen Anspruch sparen. Es gibt Gebäude, da müssen Sie den Architekten fragen, wenn Sie dem tristen, grauen Beton Ihrer Besprechungsecke eine freundliche Note verpassen wollen. Auch toll: Zimmer mit Glaswänden. Leider wird dabei vergessen, dass die meisten Menschen in der Regel keine Exhibitionisten sind. Wer sitzt schon gerne im Glashaus, selbst wenn es wie ein Phallussymbol die Potenz des Unternehmens symbolisiert?

Es wird Zeit, dass wir das Thema artgerechte Haltung von Softwareentwicklern ernst nehmen. So wie bei Hühnern in Freilandhaltung liegt der Vorteil auf der Hand: Sie legen die besten Eier. Manchmal sogar goldene.

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Ich freue mich auf Ihre Denkanstöße unter denkanstoss@microconsult.de.

Peter Siwon

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