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Denkanstöße 51 - Warum gute Teams nicht vom Himmel fallen: Wie Teams entstehen, bestehen und reifen können

Denkanstoss 51


Damit wir hier nicht über Mogelpackungen und Eintagsfliegen sprechen, konkretisiere ich zuerst einmal, was aus meiner Sicht erfolgreich bedeutet:

Die Teammitglieder stellen sich mit ihren Fähigkeiten in den Dienst eines gemeinsamen Ziels, mit dem sich jedes von ihnen auf seine Weise identifiziert.

  1. Die Teammitglieder entwickeln und nutzen dabei Werte, Regeln, Strukturen und Prozesse, die es ihnen ermöglichen, so zu kommunizieren, zu entscheiden und zu handeln, dass sie ihre Ziele mit hoher Eigenverantwortlichkeit verfolgen können.
  2. Das Team ist in der Lage, sich den Anforderungen und Veränderungen ihres Umfelds schnell genug anzupassen, um darin bestehen zu können. Dieses Umfeld wird beispielsweise durch das eigene Unternehmen, die Kunden, den Wettbewerb oder ökonomische, gesellschaftliche oder ökologische Rahmenbedingungen geprägt.
  3. Das Team ist einerseits fähig, sich aus dieser Umwelt ausreichend mit Ressourcen und Informationen zu versorgen. Andererseits kann es sich wirksam gegen schädliche oder störende Einflüsse schützen.
  4. Das Team ist in der Lage, durch einen gemeinsamen Lernprozess seine Leistung zu steigern und noch ungenutzte Potentiale zu entdecken und zu nutzen.

 

Diese Erfolgsmerkmale fallen allerdings nicht vom Himmel. Sie entstehen durch eine komplexe Interaktion von Menschen, die ein gemeinsames Ziel verfolgen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dabei ein erfolgreiches Team hervorgeht, ist wesentlich davon abhängig, wie die Beteiligten es schaffen, folgende Fähigkeiten gemeinsam zu nutzen und immer weiter zu verfeinern:

 

Die Fähigkeit, …

… ein starkes Gefühl der Zugehörigkeit zu entwickeln

… sich offen und zielorientiert über Einsatz und Verantwortung auszutauschen

… sich offen und zielorientiert über Leistung auszutauschen

… sich offen und zielorientiert über die Förderung von Potentialen auszutauschen

 

Oder schlichter ausgedrückt: wie gut es die Beteiligten schaffen, sich zivilisiert zugunsten eines gemeinsamen Ziels zusammenzuraufen.

Schauen wir uns das im Folgenden noch etwas genauer an. Dabei wird schnell klar, dass diese Fähigkeiten aufeinander aufbauen und sich gegenseitig beeinflussen.

Die Fähigkeit, ein starkes Gefühl der Zugehörigkeit zu entwickeln

Ohne Zugehörigkeit existiert kein Team. Das Gefühl der Zugehörigkeit entsteht dadurch, dass die Teammitglieder sich gegenseitig dabei helfen, wichtige Bedürfnisse, wie Vertrauen, Loyalität, Anerkennung, Weiterentwicklung oder Sicherheit, zu befriedigen. Letztlich ist ein erfolgreiches Team eine Zweckgemeinschaft auf der Bedürfnisebene. Jedes Mitglied hofft zunächst darauf, dass es im Team bessere Chancen hat, seine Bedürfnisse zu befriedigen als ohne Team. Wenn durch gegenseitiges Kennenlernen und erste gemeinsame Aktivitäten diese Hoffnung eine Bestätigung findet, entwickelt sich ein Gefühl der Zugehörigkeit. Beispielsweise wird erkennbar, dass ein freundlicher Umgang gepflegt wird, strukturiert und zielorientiert gearbeitet wird und die Leute hilfsbereit und humorvoll sind.

Die Nagelprobe für das Zugehörigkeitsgefühl sind Situationen, in denen die Bedürfnisse von Teammitgliedern in Konflikt geraten, beispielsweise wenn das Sicherheitsbedürfnis einer Person den Drang nach Erkenntnis einer anderen bremst. Wenn ein Team dann in der Lage ist, solche Konflikte immer wieder so zu lösen, dass dadurch die positive Bedürfnisbilanz aller Beteiligten erhalten bleibt, dann wächst das gegenseitige Vertrauen im Team. Das Team begreift Konflikte als natürliche Begleiter der Teamarbeit und besitzt die Fähigkeit, sie als Quelle der Erkenntnis und Weiterentwicklung zu nutzen. Dadurch entsteht eine besondere Qualität von Vertrauen und Zugehörigkeit. Es zeigt sich: Was uns unterscheidet kann uns stärker verbinden, wenn wir nur lernen, den Unterschied als Ressource zu erkennen und zu nutzen. Das finde ich sehr bemerkenswert.

Wie kann Zugehörigkeit praktisch gefördert werden? Zunächst ist es wichtig, dass sich die Menschen in entspannter Atmosphäre kennenlernen können. Es gibt viele unterhaltsame Methoden des ersten Kennenlernens. Im Internet oder Buchhandel finden sich dazu viele Anregungen. Im nächsten Schritt empfiehlt es sich, dass die künftigen Teammitglieder gemeinsam in kleinen Gruppen Aufgaben lösen, die sie durchaus fordern, aber ihnen auch ein gemeinsames Erfolgserlebnis bescheren. Rituale wie gemeinsame Kaffee- und Mittagspausenpausen, der Geburtstagskuchen, das Feiern von Zwischenergebnissen etc. fördern Beziehungsaufbau und -erhaltung. Wenn es um das Ansprechen und Lösen von Meinungsverschiedenheiten und Konflikten geht, ist vor allem die Führungskraft gefragt. Sie sollte sich hierzu unbedingt schlau machen.

Das Gefühl der Zugehörigkeit bahnt den Weg für eine weitere Voraussetzung erfolgreicher Teams. Denn ohne das Gefühl der Zugehörigkeit kann keine wirkliche Bereitschaft wachsen, sich für andere Teammitglieder und das gemeinsame Ziel einzusetzen und Verantwortung zu übernehmen.

Offener und zielorientierter Austausch über Einsatz und Verantwortung

Erwartungen werden klar ausgesprochen. Erbrachter Einsatz und übernommene Verantwortung werden gewürdigt. Abweichungen zwischen erwartetem oder vereinbartem Einsatz und erbrachtem Einsatz werden thematisiert. Das Gleiche gilt für die Verantwortung. Ziel dieses offenen Umgangs ist es, sich gegenseitig in der Bereitschaft zu Einsatz und Verantwortung durch angemessene Würdigung zu bestärken oder dabei zu helfen, dass jedes Teammitglied seinen angemessenen Beitrag leisten kann und will.

Dass dieser offene Umgang zu Meinungsverschiedenheiten und auch harten Diskussionen führen kann, liegt in der Natur der Sache. Die Entwicklung wertschätzender und lösungsorientierter Wege der Konfliktlösung stellt damit den entscheidenden Reifeprozess eines Teams dar.

Ein Team, in dem jede Person sich für die gemeinsamen Ziele und seine Teammitglieder einsetzt und Verantwortung übernimmt, entwickelt eine hohe Immunkraft gegen Krisen, Rückschläge und andere herausfordernde Situationen. Engagierter Einsatz und entschlossene Übernahme von Verantwortung schaffen außerdem die Voraussetzungen, dass auch wirksam Leistung erbracht wird.

Einsatz und Leistung: Es ist an dieser Stelle wichtig, dass wir zwischen Einsatz und Leistung unterscheiden. Einsatz ist jeder Beitrag, der in irgendeiner Form dem Team dient – unabhängig davon, ob das Ergebnis einen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen hat. Dies kann ein aufmunterndes Wort sein, die Einarbeitung einer neuen Kollegin, die Beteiligung an einer Diskussion oder die Lösung eines Konflikts. Einsatz schafft wichtige Voraussetzungen, dass Leistung möglich ist. Sie muss allerdings nicht zwangsläufig dazu führen. Leistung stellt einen messbaren Output dar, z.B. die Anzahl produzierter Geräte oder die verrechenbare Dienstleistung. Leider wird sehr häufig bei Leistungen, die nicht den Erwartungen entsprechen, der Einsatz ignoriert oder nicht angemessen gewürdigt. Dadurch wird die Basis für künftige Erfolge untergraben.

Offener und zielorientierter Austausch über Leistung

Für die Leistung gilt das Gleiche wie für Einsatz und Verantwortung. Nur wenn im Team offen und wertschätzend über erwartete, vereinbarte und erbrachte Leistung gesprochen wird, können die Teammitglieder sich gegenseitig entweder in ihrem Leistungswillen bestärken oder darin unterstützen, ihre Leistungsfähigkeit zu steigern.

Offener und zielorientierter Austausch über Potentiale

In vielen Teams schlummern Fähigkeiten oder Talente, die entweder nicht genutzt werden oder noch gar nicht entdeckt wurden. In der Regel trifft das für jedes Teammitglied zu. Wenn ein Team nicht nur bestehen, sondern sich auch immer wieder erneuern will, spielen die Entdeckung und Nutzung von Potentialen eine bedeutende Rolle. Das erfordert den offenen Austausch darüber, welche Personen aufgrund ihrer Talente in welcher Weise zum Nutzen des Teams gefördert werden. Dabei müssen die Talente und Personen Vorrang haben, die für die Ziele des Teams und die Bedürfnisse der Teammitglieder insgesamt den größten Nutzen versprechen.

Kernkompetenz: Wertschätzender Umgang mit Unterschieden

Der offene Umgang mit Einsatz, Verantwortung, Leistung und Talent heißt auch, dass wir mit unterschiedlichen Meinungen oder Empfindlichkeiten konfrontiert werden. In der Offenlegung dieser Unterschiede und der Bereitschaft, uns mit diesen Unterschieden aktiv zu befassen, um eine Lösung zu finden und dann auch gemeinsam zu tragen, liegt eine entscheidende Kernkompetenz erfolgreicher Teams.

An dieser Stelle lohnt es sich, ein paar Gedanken zum Thema Wertschätzung anzureißen. Ist es wertschätzend, eine Person über unsere Einschätzung ihres Einsatzes, ihrer Verantwortungsbereitschaft oder Leistung im Dunkeln zu lassen oder sie gar zu belügen? Ist es wertschätzend, wenn wir so tun, als würden alle denselben Einsatz leisten, die gleiche Verantwortung tragen und die gleiche Leistung erbringen, obwohl das nicht der Fall ist? Ich glaube, die Antwort ist ein klares NEIN!

Warum liegt die Hemmschwelle so hoch, über Einsatz, Verantwortung, Leistung und Potential offen und konkret zu sprechen?

Es liegt wohl u.a. daran, dass wir (nicht zu Unrecht) glauben, dass viele Menschen kritische Rückmeldungen als beleidigend oder beschämend empfinden, sogar als Infragestellung ihrer ganzen Person. Möglicherweise glauben wir das auch, weil wir diese Reaktion auf kritische Bemerkungen bei uns selbst beobachten. Die Ursache: Der Selbstwert vieler Menschen ist aufgrund der Sozialisierung in Familie, Freundeskreis, Ausbildung und Beruf häufig eng mit der Erfüllung von Erwartungen von Eltern, Freunden und Freundinnen, Lehrerkräften und Vorgesetzten verknüpft. Nichterfüllte Erwartungen werden allzu oft auf der Beziehungsebene mit Liebesentzug, Ausgrenzung oder Geringschätzung geahndet. So entsteht eine fatale Wechselwirkung: Wenn eine Person sich durch Rückmeldungen zu ihrem Verhalten sich als Mensch in Frage gestellt fühlt, reagiert sie mit Gegenangriff, Abwehr oder Verschlossenheit. In Erwartung, dass es zu solchen Reaktionen kommen könnte, scheuen sich die Mitmenschen, sich offen zu äußern. Dies führt dazu, dass sich der Unmut über ein Verhalten oft sehr lange in diesen Mitmenschen aufstaut. Irgendwann ist aber die Hemmschwelle überschritten. Dann brechen Vorwürfe, Frust, Ärger oder Wut möglicherweise unkontrolliert und hemmungslos heraus. Das wiederum bestätigt die Person darin, dass sie abgelehnt wird. Entsprechend heftig fällt ihre Gegenreaktion aus. Eine weitere Eskalation ist sehr wahrscheinlich.

Ein weiterer Grund für die Höhe der Hemmschwelle liegt darin, dass sich noch zu viele Menschen in solchen Situationen unsicher fühlen. Wie sag ich´s? Wann sage ich´s? Wo sage ich´s?  Es fehlt an geeigneten Formulierungen, Vorgehensweisen oder schlichtweg an der Übung sie anzuwenden. Bevor ich etwas Falsches sage, halte ich lieber den Mund. Hier findet sich ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt, um Teams erfolgreich zu machen: Erlernen, Üben und Verinnerlichen von Methoden des wertschätzenden und lösungsorientierten Umgangs mit Meinungsverschiedenheiten und Konflikten.

Haltung und methodische Kompetenz als Schlüssel zum Erfolg

Die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Team werden durch die Förderung des Zugehörigkeitsgefühls und den offenen Austausch über Einsatz, Verantwortung, Leistung und Potential geschaffen. Ziel ist dabei die ehrliche und konkrete Wertschätzung zur Stärkung und die gegenseitige Unterstützung zur Weiterentwicklung entscheidender Erfolgsfaktoren von Teams. Dabei spielt die Fähigkeit des Teams, Meinungsverschiedenheiten und Konflikte wertschätzend und lösungsorientiert anzugehen und zu lösen eine Schlüsselrolle. Dafür gibt es bewährte Methoden, die sich erlernen und üben lassen. Auch bei dem dafür notwendigen Einsatz für die Teamentwicklung können sich die Teammitglieder gegenseitig bestärken und helfen. Die beste innere Haltung dabei ist, dass unterschiedliche Interessen, Meinungen oder Bedürfnisse keine Bedrohung, sondern eine Quelle der Erkenntnis und Weiterentwicklung darstellen. Diese Haltung und ihre praktische Umsetzung fallen leider nicht vom Himmel. Doch wer sich auf den Weg macht, sie zu entdecken, zu üben und zu verinnerlichen, wird reich belohnt.

 

Viel Erfolg bei der Projektarbeit
wünscht Peter Siwon