Experience Embedded

Professionelle Schulungen, Beratung und Projektunterstützung

Fit für die Digitale Transformation?

Autorin: Dr. Anja Mentrup, Beratung Judith Andresen

Beitrag - Embedded Software Engineering Kongress 2015

 

In der Software-Entwicklung hat sich durchgesetzt, dass sich komplexe Themen nicht mit einem umfassenden Plan angehen lassen, der dann 1:1 umgesetzt wird. Wir haben gelernt, Software so zu erstellen, dass uns neue Erkenntnisse und geänderte Anforderungen nicht aus der Bahn werfen. Komplexe IT-Projekte lassen sich am Besten in einem iterativen, inkrementellen und lernenden Vorgehen meistern. Organisationen und ein möglicher Organisationsumbau sind ebenfalls ein komplexes Vorhaben. Der Alltag fordert eine flexible Organisationskultur. Kommunikation, Wissenstransfer und die organische Einbindung der IT in die Organisation sind überlebenswichtig. Das ist komplex! Ein umfassender Plan mit einer 1:1-Umsetzung wird nicht funktionieren. Aus der Software-Entwicklung lernen heißt, den Umbau iterativ, inkrementell und lernend zu gestalten.

Was bedeutet "Digitale Transformation" für Unternehmen?

Die Möglichkeiten, die sich aus den digitalen Medien und dem Internet ergeben, verändern derzeit die Geschäftsgrundlage nahezu jeden Unternehmens dramatisch. Die meisten Unternehmen haben erkannt, dass diese äußere Veränderung auch eine innere Veränderung notwendig macht, aber die Gestaltung der inneren Veränderung fällt vielen Unternehmen schwer. Das gilt besonders für große Unternehmen, deren Strukturen sich lange vor dem Beginn des digitalen Zeitalters herausgebildet haben. Die große Herausforderung, vor der die Unternehmen stehen, besteht darin, alte Strukturen aufzubrechen und eine neue Kultur zu schaffen, die es ermöglicht, dass sich das Unternehmen flexibel auf die sich ändernden Markterfordernisse anpassen kann, eine flexible Organisationskultur. Flexibel im Hinblick auf Kunden, Geschäftsbeziehungen und Wertschöpfungsketten.

Um diese Anpassungsfähigkeit herzustellen, ist es wichtig zu verstehen, dass dies eine komplexe Aufgabe ist und nicht mit herkömmlichen Methoden angegangen werden kann. Bei der Einordnung der Organisationsentwicklung als komplexe Aufgabe und der Wahl der richtigen Methode ist das Cynefin Framework hilfreich.

Das Cynefine Framework

Das Cynefin Framework wurde von David Snowden und Mary Boone[1] entwickelt. Cynefin kann im Deutschen als "Lebensraum" oder "Platz" übersetzt werden und bedeutet, dass verschiedenste Faktoren unserer Umwelt sowie unsere Erfahrungen uns in einer Weise beeinflussen, die wir nicht verstehen und nicht vorhersagen können. Dieses Framework erweitert die bisherige Sichtweise der Managementtheorie, die hauptsächlich auf klaren Ursache-Wirkungsbeziehungen beruht, um den Bereich ohne klare Ursache-Wirkungsbeziehungen. Snowden/Boone ordnen einfache und komplizierte Aufgabenstellungen in den Bereich der klaren Ursache-Wirkungsbeziehungen. Dieser Bereich kann mit herkömmlichen Management-Methoden sehr gut adressiert werden, da er eine gewisse Vorhersagbarkeit aufweist.

Im Bereich jenseits der klaren Ursache-Wirkungsbeziehungen befinden sich komplexe und chaotische Aufgabenstellungen. Bei einfachen und komplizierten Aufgaben geht es darum eine richtige Lösung zu finden, bei komplexen und chaotischen Aufgabe kann es nur noch darum gehen eine gute Lösung zu finden. Eingeordnet in das Cynefin Framework wird schnell deutlich, dass es sich bei der Aufgabe eine lernende Organisationskultur zu entwickeln, um eine komplexe Aufgabe handelt. Die Vorhersage, wie eine Organisation auf eine konkrete Maßnahme reagiert, ist nicht möglich. Die Reaktion kann nur beobachtet werden und Basis für weitere Maßnahmen sein. Komplexe Aufgaben erfordern, im Gegensatz zu einfachen oder komplizierten Aufgaben, nach Snowden/Boone eine lernende Vorgehensweise.

Scrum als lernende Vorgehensweise in der Softwareentwicklung

Scrum stammt ursprünglich aus der Softwareentwicklung und ist eine iterativ-inkrementelle und lernende Vorgehensweise zur Entwicklung von funktionierender Software, die die wirklichen Bedürfnisse des Kunden abdeckt. Im aktuellen Srum-Guide wird nicht mehr nur von Software gesprochen, sondern allgemein von "komplexen Produkten". [2, S. 3]

Ziel beim Einsatz des Scrum Frameworks ist es, exakt das zu bauen, was der Kunde braucht, und dabei nichts Überflüssiges zu erstellen. Dabei wird in einem Team gearbeitet, das alle Funktionen abdeckt, die zur Umsetzung der Aufgaben erforderlich sind. Scrum ist ein iterativ-inkrementelles Vorgehen, dem der PDCA-Zyklus nach William E. Deming zu Grunde liegt. PDCA steht für Plan, Do, Check, Act.

In Scrum wird in Sprints gearbeitet. Sprints sind Zeiteinheiten mit einer festen Länge. In der Praxis haben sich Zeiteinheiten von zwei bis vier Wochen etabliert. Für den kommenden Sprint wird in einem Planning-Meeting ein Plan erstellt. Es wird geplant, welche Arbeitspakete abgearbeitet werden sollen. Die Arbeitspakete sind dabei so zu planen, dass am Ende des Sprints ein Ergebnis steht. Im Falle der Softwareentwicklung ist das Ergebnis nutzbare Software. Ein Arbeitspaket besteht zum einen aus dem, was zu tun ist, und zum anderen aus Akzeptanzkriterien, die das, was zu tun ist, genauer beschreiben.

Die Umsetzungsphase des Sprints wird durch tägliche Meetings, die sogenannten Dailys begleitet. Ziel der Dailys ist es, sich im Team über den Fortschritt der Arbeit zu informieren und Hindernisse frühzeitig zu erkennen.
Am Ende der Implementierungsphase steht das Review, in dem die Arbeitsergebnisse abgenommen werden. In diesem Meeting werden wichtige Erkenntnisse für das weitere Vorgehen gesammelt, wie zum Beispiel, ob das Erarbeitete die Bedürfnisse des Kunden trifft und ob die richtigen Schwerpunkte gesetzt werden.

Den Abschluss des Sprint-Zyklus bildet die Retrospektive, in der die Arbeitsprozesse geprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Im Anschluss an die Retrospektive startet ein neuer Sprint mit einem Planning. In das nächste Planning fließen sowohl die Erkenntnisse des Reviews als auch die Erkenntnisse der Retrospektive ein.

Organisationsentwicklung in Anlehnung an Scrum

Die oben beschriebene und in der Softwareentwicklung sehr verbreitete Vorgehensweise eignet sich auch zur Entwicklung einer flexiblen Organisationskultur. Ein wesentliches Kennzeichen dieses Scrum-basierten Vorgehens ist, dass die Organisationsstruktur aus dem Unternehmen heraus entwickelt wird und nicht von außen übergestülpt wird. Es handelt sich um eine Transition.

Zunächst wird ein Transitions-Team gebildet. Dieses Team muss so besetzt sein, dass es alle anstehenden Aufgaben umsetzen kann. Das bedeutet, dass alle notwendigen Hierarchie-Ebenen vertreten sind, insbesondere sollte, um wirklich etwas verändern zu können, die oberste Hierarchie-Ebene vertreten sein. Darüber hinaus müssen alle wichtigen Bereiche vertreten sein, um möglichst viele Blickwinkel zu berücksichtigen.

Das Transitions-Team ist dabei klein zu besetzen. Maximal acht Personen sollten daran beteiligt sein. Bei der Besetzung ist darauf zu achten, dass die Besetzung nicht nach Firmenpolitik und Proporz erfolgt – gesucht werden für das Transitions-Team Personen, die gut kommunizieren können und etwas bewegen möchten. Die wesentliche Aufgabe des Transitions-Teams ist es, ein Vorbild im iterativ-inkrementellen und lernenden Vorgehen zu geben. Die Besetzung ist bereits der erste Lernschritt.

Die Besetzung des Transitions-Teams kann sich im Laufe der Transition ändern. Hierfür werden die Mitglieder des Transitions-Teams ein Gefühl entwickeln und entsprechend handeln. Auch für das Transitions-Team hat sich eine Sprintlänge von zwei oder vier Wochen bewährt.

In einem Planning werden die Arbeitspakete für das Transitions-Team geplant. Die Arbeitspakete sind so zu planen, dass am Ende des Sprint-Zyklus Ergebnisse stehen, die hinsichtlich ihres Erfolgs oder ihrer Wirkung überprüft werden können, zum Beispiel alle Mitarbeiter sind über die Existenz und die Aufgaben des Transitions-Teams informiert. Initial wird das Transitions-Team eine Organisationsvision entwickeln, auf die alle in der Transition hinarbeiten. Diese Vision ist keine fixe Organisationsstruktur, sondern die Beschreibung von Vorgehensweisen, die für das Unternehmen nach erster Sichtung wünschenswert wären.

Die Umsetzungsphase des Transitions-Teams wird auch durch Dailys begleitet. Im Daily wird darüber gesprochen, wer woran arbeitet, welche Fortschritte es gibt und welche Hindernisse beseitigt werden müssen.

Im Review überprüft das Transitions-Team, ob die Arbeitspakete gemessen an den Akzeptanzkriterien erfolgreich umgesetzt wurden. Dabei sind sogenannte "Open Reviews" sinnvoll. Die Abnahme der Arbeitspakete erfolgt dabei durch das Transitions-Team selbst, aber die übrigen Mitglieder der Organisation sind zur Teilnahme eingeladen und dürfen im Anschluss an die formale Abnahme ihren Input in Form von Fragen und Anregungen geben. Dies sorgt zum einen für eine breite Transparenz über den Organisationsentwicklungsprozess und erhöht die Akzeptanz dadurch, dass sich alle Mitglieder der Organisation einbringen können.

Den Abschluss bildet auch hier die Retrospektive, in der die Transitions-Teammitglieder die Arbeitsprozesse betrachten und gegebenenfalls anpassen. Die Ergebnisse aus Review und Retrospektive fließen wiederum in das nächste Planning ein.

Praxiserfahrungen mit einer iterativ-inkrementellen Organisationsentwicklung

In der Praxis zeigt sich häufig, dass dieser Ansatz im Prinzip leicht zu verstehen ist, aber in der Umsetzung ein Umdenken erfordert, das nicht einfach verordnet werden kann, sondern das sich entwickeln muss. Die meisten Führungskräfte werden schnell ungeduldig, wenn es kein festes Ziel gibt, das es auf direktem Wege zu erreichen gilt und Irrwege inhärenter Teil der Methode sind.

Die Praxiserfahrungen zeigen aber auch, dass Unternehmen mit der oben beschriebenen Vorgehensweise sehr schnell gute Fortschritte hin zu einer flexiblen Unternehmenskultur machen. Die Vorbildwirkung des Transitions-Teams ist immens. Die kurzen Sprints ermöglichen es, Maßnahmen schnell umzusetzen, deren Wirkung zu beobachten und dann auf der Basis des Beobachteten zu handeln. So ist es möglich die Organisationsstruktur Schritt für Schritt umzubauen, ohne das Zielbild a priori exakt zu kennen, sondern nur eine grobe Organisationsvision.

Diese Vorgehensweise verhindert keine Änderungswiderstände, sie hilft aber Änderungswiderstände abzumildern, indem alle Organisationsmitglieder, repräsentiert durch das Transitions-Team, beteiligt werden und sie in Open Reviews die Möglichkeit haben, Beiträge zu liefern. Darüber hinaus macht diese Vorgehensweise dennoch bestehende Änderungswiderstände sehr schnell transparent und schafft so die Möglichkeit, mit diesen Widerständen aktiv umzugehen.

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] David J. Snowden & Mary E. Boone: A Leader’s Framework for Decision Making. In: Harvard Business Review. November 2007, S. 69–76.

[2] http://www.scrumguides.org/docs/scrumguide/v1/Scrum-Guide-US.pdf

 

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