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Professionelle Schulungen, Beratung und Projektunterstützung

Erfolgreicher Projekte leiten mit gehirngerechter Führung

Autorin: Dorothée Putzier, Putzier Consulting

Beitrag - Embedded Software Engineering Kongress 2015

 

Führung in Projekten ist eine besondere Herausforderung, da oftmals die organisatorischen Strukturen nicht so klar sind wie in Linienpositionen. Wo eindeutige Machtpositionen fehlen, ist Motivation umso wichtiger. Hier können die neuesten Erkenntnisse der Hirnforschung helfen, besser zu verstehen, wie Menschen motiviert werden können und wie erfolgreiche Führung funktioniert.

Das Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern hat sich über die Jahre stark verändert: weg von Autorität und Kontrolle hin zu mehr Kommunikation auf Augenhöhe. Gerade in Projekten ist dies besonders wichtig, da der Projektleiter oft zwar fachlicher, nicht aber disziplinarischer Vorgesetzter ist.

Dem Thema Führung widmen sich in jüngster Zeit vermehrt auch Neurowissenschaftler, die uns erklären, was im Gehirn passiert, wenn wir auf die eine oder andere Art geführt werden. Mit Hilfe modernster Techniken wie der funktionellen Magnetresonanztomografie schauen sie uns quasi beim Denken und Entscheiden zu – und gewinnen so spannende Erkenntnisse, wie wir Entscheidungen treffen, wie Menschen sich ändern oder andere beeinflussen und warum beides so schwierig ist. Von den Erkenntnissen der Hirnforscher können auch Sie als Führungskraft oder Projekt-Manager profitieren. Im Folgenden werden die wichtigsten Erkenntnisse kurz zusammengefasst (siehe dazugehörige Abbildung, PDF).

1. Das Gehirn entwickelt sich so, wie es benutzt wird

Routineaufgaben und immer gleiche Abläufe führen dazu, dass sich im Gehirn regelrechte "Autobahnen" bilden. Die einstudierten Verhaltensmuster und Denkweisen werden vom Gehirn passend zur Aufgabenstellung auf Knopfdruck abgerufen. Ändern sich Abläufe, fällt es Menschen umso schwerer, die Veränderungen zu akzeptieren und umzusetzen, je länger die alten Verhaltensweisen zuvor eingeübt wurden. Dabei ist unser Gehirn dafür geschaffen, immer wieder neue Verknüpfungen zu bilden und dadurch Probleme zu lösen. Aber diese Fähigkeit kann einrosten.

Ein Beispiel: Ein Projektleiter greift immer wieder in die Arbeit der Projektmitarbeiter ein, um seine Vorstellungen zur Umsetzung durchzusetzen. Irgendwann resignieren die Mitarbeiter und machen es so, wie er es will. Das geht über einen langen Zeitraum so. Dann kommt ein neuer Projektleiter und forderte die Mitarbeiter auf, Verbesserungsvorschläge zu machen. Es gibt kaum Resonanz. Auf Nachfrage antworten die Mitarbeiter, sie seien es nicht mehr gewohnt, selbst zu denken. Die entsprechenden Verschaltungen in den Gehirnen waren eingerostet.

Praxistipp

Wenn Sie wollen, dass Ihre Mitarbeiter positiv und schnell auf Veränderungen reagieren, sorgen Sie am besten im Arbeitsalltag für Abwechslung. Es gibt viele Möglichkeiten: Vergeben Sie Sonderaufgaben, setzen Sie auf die positiven Effekte der Job-Rotation oder verändern Sie einfach mal die Arbeitsumgebung. Ein Meeting im Freien kann schon ganz neue Ideen bringen.

2. Veränderungen in Gehirn brauchen Zeit

Der Nobelpreisträger Daniel Kahnemann erklärt in seinem Buch "Schnelles Denken, langsames Denken", dass in unserem Gehirn zwei unterschiedliche Systeme unser Denken und Handeln lenken (siehe dazugehörige Abbildung, PDF). System 1 ist für automatisierte Prozesse zuständig. Es ist schnell, unbewusst und eher emotionsgesteuert. System 2 ist für die bewussten, anstrengenden und rationalen Überlegungen zuständig. Die morgendliche Routine läuft nach System 1. Wenn wir eine wichtige Entscheidung treffen, kommt auch System 2 ins Spiel. Denn jetzt sammeln wir Informationen, analysieren diese und wägen systematisch ab.

System 2 verbraucht viel Energie und verfügt über relativ wenig Kapazität. Deshalb tendiert das Gehirn dazu, so viele Prozesse wie möglich zu automatisieren. Denken Sie nur an das Autofahren: Am Anfang hat jeder Probleme mit den Abläufen, aber schon nach wenigen Fahrstunden laufen alle Tätigkeiten so automatisiert ab, dass wir über sie gar nicht mehr "nachdenken" müssen. Diese Grundfunktion des Gehirns führt dazu, dass wir routinierte Abläufe lieben und das Neue eher scheuen.

Praxistipp

Wenn Ihre (Projekt-) Mitarbeiter eine andere "Autobahn" nehmen sollen, denken Sie daran, dass dies ein Kraftakt für das Gehirn ist. Geben Sie Ihrer Mannschaft deshalb die nötige Zeit und Unterstützung, damit sie sich an das Neue gewöhnen und die hierfür nötigen neuen Routinen einstudieren kann.

3. Druck und Androhung von Strafe sind kontraproduktiv und führen eher zu Leistungsabfall

Ein häufiges Führungsinstrument in traditionellen und stark hierarchischen Organisationen ist die Androhung von Strafe. Doch dieses "Druck machen" löst im Gehirn Angstreaktionen aus. Es kommt verstärkt zu Stress- und Vermeidungsverhalten. In diesem Zustand sind Mitarbeiter kaum noch in der Lage, das zu tun, was der Produktivität am meisten dient: Probleme und Aufgaben kreativ zu lösen. Der Neurobiologe Gerhard Roth sieht in der Angstma(s)che ein Führungsinstrument, das für die Chefs zwar bequem ist, aber mit Blick auf die Produktivität mangels Wirkung versagt. Interessant ist auch die Beobachtung der Hirnforscher, dass bei sozialen Schmerzen, hervorgerufen z.B. durch Missachtung oder Demütigung, die gleichen Gehirnregionen aktiv sind wie bei physischen Schmerzen. Mit allen entsprechenden Konsequenzen. Gerade in Projekten, wo die hierarchische Zuordnung oft nur fachlich, aber nicht disziplinarisch ist, ist das allseits beliebte Druck-Machen kontraproduktiv.

Praxistipp

Einfach genau hinschauen! Lernen Sie, Ihre Mitarbeiter besser zu verstehen. Achten Sie darauf, was bei ihnen Angst auslösen könnte, und versuchen Sie diese Situationen zu vermeiden.

4. Individuelle Bedrohungen und Anreize wirken am besten

Im Gehirn liegt unser Belohnungszentrum im mesolimbischen System. Generell streben wir nach Dingen und Erlebnissen, die uns ein "gutes Gefühl" geben. Neurowissenschaftlich gesprochen heißt das: Unser Belohnungssystem wird angesprochen, und das Gehirn schüttet entsprechende Botenstoffe wie Dopamin aus.

Doch: Jeder Mensch ist durch andere Dinge motivierbar. Das Belohnungssystem reagiert also jeweils auf unterschiedliche Reize. Für die einen sind es der finanzielle Bonus oder Statussymbole: das große Büro, die Teilnahme an einer Veranstaltung, das große Auto. Für andere bedeutet es die höchste Anerkennung, wenn sie an neuen innovativen Projekten mitarbeiten dürfen. Und wieder andere spornt die ehrliche Zuwendung und Wertschätzung durch Vorgesetzte an. Herauszufinden, wie ein Mitarbeiter tickt und was ihn motiviert, ist eine wichtige Führungsaufgabe. Das kostet viel Zeit, z.B. für Gespräche und aufmerksame Beobachtung, aber die höhere Leistung der Mitarbeiter und die bessere Stimmung im Team machen diesen Zeiteinsatz auch wirtschaftlich zu einer lohnenden Investition.

Praxistipp

Wenn Sie wollen, dass Belohnungen wirklich motivieren, vermeiden Sie das Gießkannenprinzip. Finden Sie heraus, was jeder einzelne Mitarbeiter braucht.

5. Die beste Motivation kommt von innen

Wenn wir etwas mit Begeisterung tun, werden emotionale Hirnzentren aktiv und neuroplastische Botenstoffe ausgeschüttet. Das Ergebnis: Wir fühlen wir uns gut, und das Gehirn bildet neue Verschaltungen. So werden neue Lösungen möglich. Anders ausgedrückt: Die Aufgabe macht uns nicht nur Spaß, wir lösen Sie auch besser!

Liebt ein Projektmitarbeiter seine Aufgabe, wird er versuchen, alles darüber herauszufinden. Er wird sich bei Kollegen schlau machen, verschiedene Ansätze ausprobieren und beobachten, was besonders gut funktioniert. Weil ihm die Tätigkeit an sich Freude macht, wird er immer besser. Wird er hingegen nur von einem Bonus angetrieben, wird er sich über einen misslungenen Ansatz ärgern, aber kaum daraus lernen.

Auf die Zusammenhänge zwischen Lernen und Begeisterung hat insbesondere der Hirnforscher Gerald Hüther hingewiesen. Manager sollten ein Umfeld schaffen, in dem Begeisterung möglich ist, und diese Begeisterung auch vorleben. Das beginnt damit, dass ein Chef die Wichtigkeit jeder Aufgabe betont und jeden einzelnen Mitarbeiter in seiner Besonderheit zu schätzen weiß (siehe dazugehörige Abbildung, PDF).

Praxistipp

Fördern Sie die Motivation Ihrer Mitarbeiter, indem Sie - wie Hüther empfiehlt - jeden einzelnen immer wieder dazu "einladen, animieren und ermutigen, sich einzubringen".

Zusammenfassung

Unser Gehirn liebt Routinen, daher ist jede Art von Veränderung zunächst unangenehm und braucht Zeit. Schaffen Sie ein Umfeld, in dem Veränderung zum Alltag gehören, dann kosten größere Umstellungen nicht  mehr so viel Kraft. Lernen Sie die Motivationsstruktur jedes Mitarbeiters kennen und sorgen Sie dafür, dass jeder den Sinn seiner Aufgabe sieht und dafür wertgeschätzt wird, was er tut. Das löst Begeisterung aus und die wiederum steigert das Lernen und die Leistungsfähigkeit. Gehirngerechtes Führen kostet anfänglich Zeit für Beobachtung und Reflexion, aber zahlt sich aus durch einen reibungsloseren Ablauf  in der täglichen Arbeit und durch hochmotivierte Projektmitarbeiter.

Literaturhinweise

Gerald Hüther - Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn
Gerhard Roth - Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
Daniel Kahnemann - Schnelles Denken, langsames Denken

 

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