Experience Embedded

Professionelle Schulungen, Beratung und Projektunterstützung

Systemtest von eHealth Service-Robotern im häuslichen Umfeld

Autorinnen: Prof. Dr. Martine Herpers, Hochschule Fulda, Fachbereich Angewandte Informatik, Robin Kirschner (BSc), TU Chemnitz, Fakultät Maschinenbau

Beitrag - Embedded Software Engineering Kongress 2018

In der Forschung wird seit einiger Zeit an Robotern gearbeitet, die Aufgaben im Haushalt übernehmen und Unterstützung in der Pflege anbieten. In diesem Beitrag wird ein universeller Vorschlag für das systematische Testen, der wichtigsten funktionalen Fähigkeiten von eHealth Service Robotern vorgestellt, der auf praktischen Erfahrungen im Wohnlabor der Hochschule Fulda und einer Modellierung der Pflegeroboter und des Wohnumfelds besteht.

Einleitung

Service-Roboter erfreuen sich seit Jahren wachsender Beliebtheit im häuslichen Umfeld [1]. Sie übernehmen Aufgaben im Haushalt und Garten oder unterstützen bei der Pflege von älteren oder kranken Mitmenschen. Mobilität von autonomen Robotern erfordert die Möglichkeit, mit Hilfe geeigneter Sensorik ortsabhängig durch unbekannte Räume zu navigieren. Das häusliche Umfeld stellt sehr hohe Anforderungen an die mobilen Roboter. Was für Menschen kein Problem darstellt, wie geschlossene Türen, verschobene Möbel oder vielfältige Formen, kann für Roboter ein unüberwindbares Hindernis sein [2]. eHealth-Anwendungen verlangen darüber hinaus, dass sich die Roboter dem Menschen nähern und mit ihm kommunizieren können.

Für einen systematischen Test muss die Komplexität des Roboters und der Umgebung angemessen berücksichtigt werden. Meist wird Szenario-basiert in verschiedenen Haushalten oder Einrichtungen getestet, die mehr oder weniger zufällig zur Verfügung stehen. Da das häusliche Umfeld von der jeweiligen Kultur und auch der Affinität der Bewohner*innen zur technischen Ausstattung abhängt, ist ein vollständiges Testen kaum zu erreichen. Damit hat z.B. der Test eines Pflegeroboters in einem japanischen Haushalt nur bedingte Aussagekraft für den Einsatz in deutschen Wohnzimmern.

Methodik

Mit einer ausführlichen Literaturstudie sowie in eigenen Studien konnten einige entscheidende Anforderungen an die Testumgebung/Wohnumgebung für autonome mobile Pflege-Roboter ermittelt werden [3] [4], die im Folgenden vorgestellt werden. Die einfachste Version von mobilen Robotern im Haushalt sind die Staubsauger- oder Wischroboter, die einen hohen Grad der Bodenabdeckung erreichen müssen. Mit explorativen Tests wurde das Verhalten in verschiedenen Situationen, wie beim Start an der Ladestation, bei der Überwindung von spontanen Hindernissen und potentiellen Problemen mit Möblierung, beobachtet und systematisiert. Bei Aufgaben, die am oder mit dem eHealth-Klienten durchgeführt werden, ist die Erreichbarkeit des Klienten durch den Roboter ausschlaggebend. Seit 2014 werden verschiedene Roboter, wie Pepper, LIO, Car-O-bot und ROBEAR, in Pflegeeinrichtungen ausprobiert, deren unterschiedlicher Aufbau und Ausstattung in der Modellierung für ein allgemeines Modell eines Pflegeroboters berücksichtigt wurde.

Modellierung Pflegeroboter und häusliche Umgebung

Die unterschiedlichen Roboter lassen sich wie folgt allgemein modellieren. Bezogen auf die Fortbewegung bestehen sie aus einer Mobilitätseinheit (meist Rädern), einem Körper und Aktoren/Endeffektoren wie Bürsten oder Arme. Die Ausmaße des Roboters, wie der maximale Körperdurchmesser plus angebrachter Aktoren (RKmax), die Höhe (RH) und die Reichweite (RR) sind für die Einsatzfähigkeit im Wohnumfeld entscheidend (siehe Abbildung 1, PDF).

Folgende neun Kategorien sind bei der Festlegung einer Teststrategie zu berücksichtigen: enge Passagen (P), hängende Objekte (hO), Möbel mit Beinen, instabile Objekte, versteckende Bereiche, Reflektionen/Licht (inkl. Farben und durchsichtige Hindernisse), Abgründe, kleine lose Gegenstände auf dem Boden (z.B. Teppichfransen, Stromkabel), Raumformen. Welche Ausprägung dieser Kategorien für den Test eines eHealth Roboters gewählt werden muss, hängt von der Gestalt, der Mobilitätseinheit und der verwendeten Sensorik und Aktoren ab. Im Folgenden werden die Kategorien kurz beschrieben.

Enge Passagen (narrow passages) liegen vor, wenn für die Passage P die Breite b und die Länge l die Formal (1) gilt. Der variable Faktor ε ist jeweils geeignet zu wählen. (Siehe Formel im PDF)

Enge Passagen können zum Hindernis für Roboter werden, die sich in der Passage neu orientieren oder Bewegungen ausführen müssen. Je länger die enge Passage ist, umso eher wird sie zu einem Hindernis für einen Roboter.

Hängende Objekte (hanging objects) sind kritisch, wenn sie bis auf ungefähr die Höhe des Roboters herabhängen, d.h. wenn die Distanz zum Boden (D) unter dem hängenden Objekt geringfügig niedriger ist, als die Höhe des Roboters. Ortsstabile hängende Objekt können in dieser Höhe für das Einklemmen des Roboters mit verantwortlich sein. (Siehe Formel im PDF)

Möbel mit Beinen (furnitures with legs) sind immer dann kritisch, wenn der Roboter sich unter den Möbeln bewegen oder die Mobilitätseinheit/Aktorik/Endeffektoren an den Möbelbeinen hängen bleiben können. Im ersten Fall kann ein Irrgarten entstehen, der die Effektivität des Roboters einschränken kann.

Ein Hindernis wird als instabil (instable objects) angesehen werden, wenn es durch die Berührung mit dem Roboter unabsichtlich verschoben, beschädigt oder zur Gefahrenquelle für eHealth Klient*innen (z.B. Stolperfalle) werden kann.

Versteckende Bereiche (hiding areas) liegen vor, wenn eHealth Klient*innen an diesem Ort nicht von dem Roboter erreicht werden können, d.h. wenn die minimale Distanz Dmin des Roboters zum Klienten kleiner ist als die Reichweite des Roboters (RR). Solche Bereiche sind häufig die Lieblingsplätze der eHealth Klient*innen, die z.B. mit Beistelltischen zugestellt werden, oder entstehen unabsichtlich z.B. durch dunkle Teppichböden, die der Roboter als Abgrund einstuft und sie nicht überquert.

Reflektionen/Licht kann Roboter beeinträchtigen, die optische Sensoren oder Kameras verwenden. Bodentiefe Fenster und weitere reflektierende Gegenstände können zu unerwarteten Lichteffekten führen.

Abgründe lassen sich in Abhängigkeit der Mobilitätseinheit des Roboters bestimmen. Die meisten Haushaltsroboter und eHealth Roboter bewegen sich auf Rädern, die Unterschiede von wenigen Zentimetern gut überwinden können. Höhere Bodenunterschiede oder Treppen stellen unüberwindbare Abgründe dar, die zuverlässig erkannt werden sollten. Vierbeinige Roboter könnten Treppen überwinden, werden aber bisher nicht für den Haushalt hergestellt.

Kleine, lose Gegenstände werden häufig nicht gut von Robotern erkannt. Für die meisten Haushaltsroboter gilt, dass der Boden vor der Benutzung des Roboters frei zu räumen ist. Insbesondere sehr kleine Gegenstände, die unter die Mobilitätseinrichtung und zwischen die Räder oder Beine gelangen können, können eine Gefahr für den Roboter darstellen.

Räume können sehr unterschiedlich geformt sein. Für den Roboter wird der Raum zusätzlich durch die Möbel beschränkt. Jede Raumform von abgerundet bis zu spitzen Ecken kann vorkommen.

Die oben genannten Kategorien können für den systematischen Systemtest herangezogen werden und das Szenario-basierte Testen ergänzen. Abhängig von den Maßen und der Sensorik/Aktoren der Roboter kann mit der Grenzwertanalyse die Höhe und Anordnung der Möbel bestimmt werden und für jede Kategorie festgestellt werden, ob sie ausreichend getestet wurde. In Klassifikations-Bäumen können die Testfälle übersichtlich spezifiziert werden.

Das Wohnlabor der Hochschule Fulda, Fachbereich Oecotrophologie, wurde für die Tests an einfachen eHealth Robotern verwendet. Das Wohnlabor bietet ein Büro, Esszimmer, Sitzecke, Flur und Wohnzimmer in durch stabile Vorhänge abtrennbaren Bereichen. Durch bodentiefe Fenster kann Tageslicht einfallen, was zu wechselnden Lichteinflüssen führen kann. Konstante Lichtverhältnisse können durch das sehr flexible Beleuchtungssystem des Living Labs hergestellt werden. Die meisten Tests wurden mit dem Roomba 680 durchgeführt. Der Turtlebot 2 verwendet eine baugleiche Mobilitätseinheit und hat den gleichen Durchmesser. Lediglich in der Höhe unterscheiden sich die beiden Robotern. Die stabile und zuverlässige Mobilitätseinheit sowie die hohe Akzeptanz im Haushalt machen diese Roboter zu idealen Versuchsplattformen. Das Wohnlabor bietet die meisten der oben genannten Kategorien. In Abb. 2 (siehe PDF) sind die engen Passagen, Gefahr durch instabile und hängende Objekte sowie die versteckenden Bereiche für die untersuchten Roboter gekennzeichnet. Reflektionen treten durch das bodentiefe Fenster im Wohnbereich auf, und mit flexibel angebrachten Deckenlampen können unterschiedliche Lichtverhältnisse erzeugt werden. Verschiedene Bodenbeläge können verwendet werden.

Fazit

Da das Living Lab weder eine Küche noch ein Badezimmer beinhaltet, wurden weitere Tests in privaten Umgebungen durchgeführt. Da insbesondere die tief hängenden, festen Objekte im Bad oder WC in der Enge dieser Räume zu Wänden und Heizungen zu Verklemmungen führen können, soll das Living Lab um solche Testmöglichkeiten erweitert werden. Die definierten Kategorien können in der Zukunft helfen, Haushalts- und eHealth-Roboter systematisch zu testen und als Input für die testorientierte Entwicklung von Robotern dienen. In weiteren Projekten sollen die speziellen Ausprägungen für die verschiedenen Roboterarten in der Pflege genauer analysiert werden, um noch spezifischer Testszenarien und Testumgebungen empfehlen zu können.

Linkliste Roboter

Care-O-bot von Fraunhofer

LIO von F&P Personal Robotics

Pepper von Aldebaran und Softbank Mobile

ROBEAR von Sumitomo Riko

Roomba von iRobot

Turtlebot von Open Source Robotics Foundation, Inc.

VGo Roboter von VGo Robotics

 

Literaturverzeichnis

[1]

J. Young, R. Hawkins, E. Sharlin und T. Igarashi, "Toward Acceptable Domestic Robots: Lessons Learned from Socail Psychology," 2008. [Online]. Available: hdl.handle.net/1880/46693. [Zugriff am 11 September 2018].

[2]

H.-M. Gros, S. Mueller, C. Schroeter und M. Volkhardt, "Robot Companion for Domestic Health Assistance: Implementation, Test and Case Study under Everyday Conditions in Private Apartments," in IEEE/RSJ International Conference on Intelligent Robots and Systems (IROS), Hamburg, Germany, 2015.

[3]

M. Herpers und D. Schmelz, "Generic Acceptance Test Strategy for Mobile Robots Navigation Algorithms: Applied in a Health Care Environment," in 10th International Conference QUATIC, Lisboa, Portugal, 2016.

[4]

O. M. Nasir, "Analysis of Requirements for Test Environment Setup for Mobile eHealth Robots," Masterarbeit, Hochschule Fulda, Fachbereich Angewandte Informatik, Fulda, 2018.

 
Autorinnen

Prof. Dr. Martine Herpers lehrt und forscht seit 2014 an der Hochschule Fulda in Angewandter Informatik insbesondere in Gesundheitstechnik, Software Engineering und Genderaspekte der Informatik. Vorher war Frau Herpers viele Jahre als Teamleiterin in der Software-Entwicklung, im Testfloormanagement und der Qualitätsmanagement-Beratung in der Telekommunikation und Automobilindustrie tätig.

Robin Kirschner (BSc) studiert Maschinenbau (MSc) an der Universität in Chemnitz mit dem Schwerpunkt Angewandte Mechanik und Thermodynamik. Ihre Studien zur Mensch-Maschinen-Kollaboration von Industrierobotern wurden auf international renommierten Konferenzen veröffentlicht.

 

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